KÁVÉHÁZ 20




Sitzung des

Caffè Greco

anläßlich der 20.Jahrestagung
der
literarischen Gesellschaft
für antikes Lustempfinden
während der Sarturnalien


Des fruchtbringenden Kaffeehauses

gehüteter Erzschrein


öffnet sich


allen Haudegen und Seiltänzern,
Bauchrednern und Kunstfistern,

den delirierenden Gottheiten
und den antécesseurs im Purpur,

aber auch den blackfriars im härenen Gewande


für die kleinen Asymmetrien
und ihr sanftes,
intellektuelles Glimmen.



Es verschließt sich


Sterzeln und Gelzenschneidern,
grochzenden Zwirglern
und geirigen Zitzeldieben,

Timothy Danaos und Donna Ferentes,


endlich auch


der mäandrierenden Selbstverliebtheit,
dem dumpfen Widerdrieß
und der Ruhe der Impotenz

- vorsputlichen!






REGULA LESBIA







Summum ius, summa iniuria


(Cicero - De officiis, I, 10)


I



(Platon - Kriton, 50a, b)


II



(Gorgias - Fragment 6)


III



(Aristoteles - Nik. Ethik, V, 10 (p. 1137b, 5f.))


IV



(Aristoteles - a.a.O., V 14 (10, 8), p. 1137 b 34 - 1138 a 3)


V



(Aristoteles - Rhetorik 1374a, 26ff.)


VI



(Aristoteles - a.a.O. 1374b, 10ff.)


VII



(Demosthenes XX, 118)


VIII



(Kalymnastein)


IX

Placet in iudiciali genere finem esse aequitatem,
hoc est, partem quandam honestatis.

(Cicero - De inventione, II, 156)


X

Scire legem non est verba eorum tenere,
sed vim ac potestatem.

(Celsus, Digesten 1.3.17)


XI

In omnibus quidem,
maxime tamen in iure aequitas spectanda est.

(Paulus - Dig.50.17.90)


XII

In tali enim casu epieikeia interpretatur
legem humanam non esse servandam
in illo intellectu, quem verba prima facie
sonare videntur.

(Wilhelm von Ockham - Dialogus,
pars 1, lib. 7, cap. 67)



XIII

Lesbia regula est epiikia. Arbitror regulam
illam fuisse eiusmodi, ut summa aedificii
vel muri a principio et fine esset in mensura
recta, non obstante, quod partes vel lapides
aliquot in medio prominerent et lineam turbarent.
Gleich wie die rauchen stein yn der mauren erfur
gehen und doch die gantzen schnur und bley
lassen gehen; item sicut arbor extantibus nobis
tamen recta iacens comparetur ad trabem
dedolatam sine nodis.

(Luther - Tischgespräche, 557)


XIV

Non ex ista recta mentis regula
quae rigida est, hominum facta
aestimari possunt; sed illa Lesbiorum
flexili, quae non ad se corpora inflectit,
spectari debent.

(Vico - De nostri temporis
studiorum ratione (1709), cap. VII)



XV

Der Hausdiener, dem sein bis zum Ende
des Jahres laufender Lohn in einer binnen
der Zeit verschlechterten Münzsorte bezahlt
wird, womit er das nicht ausrichten kann, was
er bei der Schließung des Kontrakts sich dafür
anschaffen konnte, kann, bei gleichem Zahlwert,
aber ungleichem Geldwert, sich nicht auf sein Recht
berufen, deshalb schadlos gehalten zu werden,
sonder nur die Billigkeit zum Grunde aufrufen
(eine stumme Gottheit, die nicht gehöret werden
kann); weil nichts hierüber im Kontrakt bestimmt
war, ein Richter aber nach unbestimmten
Bedingungen nicht sprechen kann.

(Kant - Metaphysik der Sitten, Anhang zur
Einleitung in die Rechtslehre, I.)



XVI

IUSTITIA EXIGUIS EXAMINAT OMNIA GRANIS
SOLA POTENS HOMINUM CONCILIARE GENUS

(Inschrift im Danziger Rathaus)




(Werth in Erz gegraben zu werden.)


Zu dem französischen General Hulin kam,
während des Krieges, ein Bürger, und gab,
Behufs einer kriegsrechtlichen Beschlagnehmung
zu des Feindes Besten, eine Anzahl im Pontonhofe
liegender Stämme an.
Der General, der sich eben anzog, sagte:
"Nein, mein Freund, diese Stämme
können wir nicht nehmen".
"Warum nicht?", fragte der Bürger. "Es
ist königliches Eigenthum".
"Eben darum", sprach der General,
indem er ihn flüchtig ansah. "Der
König von Preußen braucht dergleichen
Stämme, um solche Schurken daran
hängen zu lassen, wie Er".

(Kleists Abendblatt N° 3 -
Franzosen - Billigkeit)








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